Unternehmenskultur Vertrauen
Iris Rommel | Leadership Development
EIN ERFAHRUNGSBERICHT
AM BEISPIEL EINES INNOVATIVEN FÜHRUNGSKRÄFTEENTWICKLUNGS-PROGRAMMS
Neulich hat uns ein Kunde vorgemacht, wie vertrauensvolle und mutige Unternehmenskultur gehen kann. Das hat uns beeindruckt, da sich so viele Unternehmen diese Qualitäten wünschen und sie doch relativ selten zu haben sind.
Wir möchten hier anhand dieses Kundenprojekts darstellen, was wir in Sachen „Kulturarbeit“ lernen durften.
Das Unmögliche möglich machen
Das Unternehmen – mittelständisch geprägt, Produktionsunternehmen in Familienbesitz, ca. 2000 MitarbeiterInnen groß – wollte sicherstellen, seine besten Nachwuchskräfte an sich zu binden und diese auch für den notwendigen, internen Modernisierungsprozess als Multiplikatoren zu nutzen.
Aber – wie in vielen mittelständischen Unternehmen üblich – war die Personalabteilung bislang stark administrativ ausgerichtet. Professionelle Personalentwicklung als Funktion existierte nicht. Trotzdem sollte etwas vorangehen für den Nachwuchs.
Es begann…
Der Geschäftsführer Personal berief eine interne Arbeitsgruppe ins Leben, bestehend aus potenziellen Endkunden, nämlich jungen Führungs- und-Potenzialkräften, und betraute sie mit der Aufgabe, ein Führungsnachwuchskräfte-Programm zu konzipieren, das attraktiv ist und zum Unternehmen passt. Wir finden, das war vertrauensvolles Managementhandeln.
Das Programm, das die Gruppe entwickelt hatte, kann sich im Vergleich moderner Führungskräfteentwicklungs-Programme sehen lassen. Das Konzept kombiniert vielfältige Lernkanäle wie Projektarbeit, Lerngruppen, Selbstlernen, Praktika, Mentorenbegleitung und Trainings zur Persönlichkeitsentwicklung – gesteuert durch individuelle, in einem Development Center identifizierte Lernziele.
Das entspricht damit dem Feinsten vom Feinsten, was zurzeit im Produkt „Leadership Development Programm“ von den Branchenführern zu haben ist.
Für ein Unternehmen, das bisher keine systematisierte Personalentwicklung kannte, ein Quantensprung von Null auf Hundert. Auch hier zeigt sich viel Vertrauen: Selbstvertrauen im Sinne von Selbstwert „auch als kleineres Unternehmen wollen wir ein tolles Programm!“ und Zutrauen in die Geschäftsführung, dass sie so viel Innovation will und bereit ist, dieses ehrgeizige Programm umzusetzen.
Innovation durch unbefangene „Best of“-Perspektive
Wo kamen die innovativen Ideen her?
Nachwuchsführungskräfte verfügen über gute Netzwerkbeziehungen – in andere Unternehmen und Branchen – und surfen gerne im Internet, so dass sie – mit dem anvertrauten Freiraum „macht mal“ – auch als „Nicht-Profis“ ziemlich schnell herausfinden konnten, was denn heute so en vogue ist. Und außerdem wussten sie genau, was ihnen als potenziellen zukünftigen TeilnehmerInnen an solch einem Programm gefallen könnte und was nicht.
So schnell kann Modernität entstehen, wenn man die Haltung lebt, den Endkunden vertrauensvoll in die Konzeption von neuen Produkten miteinzubeziehen.
Integration ins Unternehmen durch Kultur-Werte „Es muss zu uns passen“
Was macht ein Unternehmen, das ein eher traditionelles Produktionsunternehmen ist, jetzt mit diesem modernen „SCHMETTERLING“?
Wir wissen alle, wie schnell Innovation in den Mühlen der Organisation, in Traditionen und „Ja-Abers“ zermahlen wird. Und eigentlich musste man auch ein bisschen um dieses innovative Konzept bangen.
Wieder bewies die Geschäftsführung Vertrauen und hat die Implementierung des Konzepts in die Hände einer jungen, ganz neu für diese Aufgabe ins Unternehmen geholte Personalentwicklerin gelegt, die das einzig richtige in dieser Situation getan hat.
Sie holte alle Führungskräfte des Unternehmens zusammen und entwickelte mit ihnen, der Geschäftsführung und der Eignerfamilie gemeinsam ein Verständnis darüber, wer wozu in diesem Unternehmen wohin gefördert werden soll. Sie verschaffte dem Programm damit einen Rahmen, der half, die wichtigsten Weichenstellungen für die Umsetzungsphase zu stellen.
Die Entscheider waren sich schnell einig, wie ihr Verständnis von Potenzialförderung aussieht:
- Alle Unternehmenstöchter sollen davon profitieren
- Diversität im Programm (Unternehmensbereiche, verschiedene Hierarchieebenen) ist gewünscht
- Niedrigschwelliger Zugang für Nicht-Akademiker aus dem Bereich Produktion
- Der Besuch des Programms ist kein Versprechen für eine Beförderung
Sie haben diesen bunten, noch unbekannten Schmetterling geankert, indem sie ihn mit einigen positiven, diesem Familienunternehmen wichtigen Kern-Werten ausstatteten.
Vertrauen in die „alten“ Führungskräfte
Nachdem die Führungskräfte ihre Anforderungen an das Programm formuliert hatten, waren sie jetzt dran mit Lernen. Sie wurden in Crash-Seminaren zu Beobachtern im Development-Center und zu Mentoren ausgebildet, um das Programm zu begleiten und zu unterstützen.
Auch hier war großes Vertrauen in die Führungskräfte vor Ort zu spüren, die oft ohne bisher mit den Tools systematisiertem Feedbacks vertraut zu sein, einen sehr differenzierten Auswahlprozess getragen haben.
Die richtigen Externen sind die, denen unsere Eigenart gefällt
Und dann kamen wir ins Spiel. Auch hier spürten wir Vertrauensvorschuss. Vielleicht weil alles sehr schnell gehen musste? – die Zeitleiste für den Programmstart war ehrgeizig. Aber sicher auch, weil wir einfach begeistert waren vom Konzept und dem Anspruch der Diversität und nicht gezögert haben, das bisher entstandene Projekt genau so zu übernehmen, wie es war.
Wie auch immer, jedenfalls wurde uns die Rolle der externen Programmbegleitung anvertraut und damit zugetraut, mit der Heterogenität der Teilnehmergruppe umgehen zu können. Wir haben unsererseits darum gebeten, die „Erfinder“ persönlich kennenzulernen, um besser verstehen zu können, was ihnen am wichtigsten bei der Programmentwicklung war. Die „Jungs“ und ihre Ideen haben uns gut gefallen und auch wir haben dann einfach mal vertraut in unsere Erfahrung und die Herausforderung angenommen, dieses Programm jetzt zum Leben zu erwecken.
Diversität ist schön, aber…
Es war nicht immer leicht
Nach dem anfänglichen, höflichen „Wir sind alle nett zueinander und lernen uns erst mal kennen“ war schnell der Tenor der Abschlussrunden der Trainings: die einen fühlen sich überfordert – die anderen unterfordert. Die einen können besser abstrakt – die anderen besser konkret lernen.
Auch für die TeilnehmerInnen war die Situation sicher nicht leicht, zum einen zu Recht maximalen persönlichen Nutzen zu erwarten und zum anderen solidarisch mit der Idee zu bleiben „Wir sind ein Team und lernen gemeinsam“.
Bei uns Trainerinnen führte es dazu, dass wir kräftig ins Schwitzen kamen mit der Suche nach immer neuen didaktischen Mitteln, mit denen wir der Unterschiedlichkeit der Lernvoraussetzungen der TeilnehmerInnen gerecht werden könnten.
Wieder hat uns das „Prinzip Vertrauen“ aus dieser Bredouille geholfen. Irgendwann haben wir uns mit unseren Trainersorgen den TeilnehmerInnen anvertraut und zur Halbzeit des Programms eine interne Evaluationsrunde angeregt. Diese hatte zum Ziel, gemeinsam herauszufinden, wie wir mit diesen unterschiedlichen Bedürfnissen, die uns so viele graue Haare machten, umgehen können.
Und siehe da, die Gruppe wusste Rat und hat uns empfohlen, die plenare Lernsituation öfter einmal aufzulösen und immer wieder in zwei Halbgruppen zu trainieren. Es waren wohl eher unsere Skrupel, die uns verboten hatten, diese Idee zu denken – wir hatten Sorge, damit zu sehr eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu schaffen. Unsere TeilnehmerInnen sahen das wesentlich selbstbewusster und entspannter, nach dem Motto: jeder braucht hier eben etwas anderes, um gut Lernen zu können.
Gut, dass wir darüber gesprochen hatten.
Umgang mit Interessenskonflikten und Tabus
Nicht nur wir wurden gefordert und haben viel gelernt. Die Abenteuerreise, zu der dieses ambitionierte Lernprogramm für alle Beteiligten wurde, berührte das Unternehmen und die Akteure an vielen Stellen sehr persönlich.
Hier einige Szenen:
Wir erlebten nachdenkliche Mentoren in der Abschlussveranstaltung, die sich fragten, ob sie nicht eigentlich auch hätten nachfragen können, warum sich der Mentee in der zweiten Halbzeit des Programms nicht mehr bei ihnen gemeldet hatte. Auch wenn die Holschuld für Mentoren-Termine explizit bei den Programmteilnehmer lag.
Zitat „War das vielleicht doch nicht das edle Prinzip ‚Wir vertrauen unseren Mentees‘, sondern einfach nur Zeitdruck, verlorener Fokus und Bequemlichkeit bei mir?“
Wir moderierten ein Konfliktgespräch zwischen TeilnehmerInnen und Personalentwicklung mit der klassischen Frage „Vertrauen – was bedeutet das eigentlich? Darf die für das Gesamt-Programm verantwortliche Personalentwicklerin eingreifen, obwohl das Prinzip Selbstorganisation vereinbart war? Und was hätte die Gruppe an Zuverlässigkeit vermitteln müssen, damit ihr Vertrauen geschenkt wird?
Und wenn die „Jungen“ unbefangen die Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit nach ihrer Tournee durch das Unternehmen (Praktika, abteilungs- und standortübergreifende Praxisprojekte) nicht nur entdeckt, sondern auch benannt hatten, musste so mancher Geschäftsbereichsverantwortliche schlucken…
Quantensprünge eines Unternehmens entstehen durch Vertrauen
Dass all diese Szenen möglich waren, zeugt für uns von dem „Prinzip Vertrauen“, das in diesem Unternehmen ganz unspektakulär und dafür umso mutiger gelebt wird. Nicht immer angenehm, gar nicht glatt, aber ehrlich und am Ende der Treibstoff, den Innovationsfähigkeit braucht.
Uns hat dieses Kundenprojekt inspiriert, in Zukunft noch stärker dem Kunden als dem Experten für seine Bedürfnisse zu vertrauen, auch wenn er sich das scheinbar Unmögliche wünscht – vorausgesetzt, er ist bereit, gemeinsam mit uns auf eine ehrliche Abenteuerreise zu gehen, die uns alle gleichermaßen fordern darf.
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