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Zu Gast bei New Work Pionieren

Iris Rommel | ChangeManagement

Die Diskurse um „New Work“, „agiles Management“ und „Arbeit 4.0 / HR 4.0“ organisieren sich auf Messen, Konferenzen und in täglich vielfältiger werdenden Communities.
Die Nase dabei weit vorn haben nach wie vor die Pioniere, meistens inhabergeführte Startups mit (jüngeren) Gründern, die als verwirklichte „New Work“-Unternehmen in Medien und Literatur zurzeit Furore machen. Wir haben das Glück, im Netzwerk zu einem Pionier näheren Kontakt zu habe: sipgate in Düsseldorf, ein führendes Unternehmen in der Internettelefonie.

Warum wir die Pioniere studieren

Wir bei synthese haben uns entschlossen, die Wirkmuster dieser Pioniere zu studieren, damit wir für die Transformationsprozesse der größeren und älteren Unternehmen hin zur agilen Organisation von ihnen lernen können. Der Kontakt mit ihnen inspiriert uns und fordert uns heraus, unsere bisherigen Vorstellungen von Organisationen und Organisationsentwicklung zu hinterfragen.

In diesem Newsletter wollen wir den aktuellen Stand unsere Erkenntnisse dazu einmal im Überblick aufbereiten – hoffentlich genauso inspirierend für Sie wie für uns.

Was verbindet die Pioniere

Die Vision der Pioniere

Sie alle teilen eine schlichte Idee, nämlich Unternehmen aufzubauen, in denen sie sich selbst auch gerne anstellen lassen würden, weil dort auf Augenhöhe gearbeitet wird, weil die MitarbeiterInnen sich die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit weitgehend selbst gestalten, weil die MitarbeiterInnen das Unternehmen gemeinsam weiterentwickeln und so für die Unternehmenszukunft Verantwortung übernehmen.

Alle diese Pioniere verstehen sich als Teil einer großen Bewegung von Menschen, die den Glaubenssatz „Arbeit erfordert Entfremdung“ nicht bereit sind, länger zu akzeptieren.

Was die Pioniere anders machen

Wir sind alle Unternehmer

New Work-Unternehmen sind um ihre Kunden herum aufgebaut. In selbstorganisierten Teams werden Kundenprojekte / Produkte für Kunden verwirklicht. Immer ganz nahe im direkten Kontakt mit den Kunden. Das ist ein zentraler Erfolgsfaktor – nicht etwa die Selbstverwirklichung der MitarbeiterInnen, sondern die Kundenorientierung ist die Leitausrichtung dieser Unternehmen, organisiert als Netzwerkorganisation.

Transparenz

Alle wichtigen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen sind allen zugänglich im Unternehmen. Jedes Team kennt Umsatz, Kosten und Rendite, die das Team und das ganze Unternehmen erwirtschaftet. Viele üben sich auch in der Kultur, die individuellen Gehälter transparent zu machen und gemeinsam zu verhandeln.

Erst die Transparenz dieser Kennzahlen ermöglicht MitarbeiterInnen echtes Entrepreneurship.

Selbstorganisation der Arbeit

In Teams wird verantwortet, dass die Kunden bekommen, was sie brauchen. Das Team verantwortet Termintreue, Erreichbarkeit, Qualität. Wie in diesem Produktionsprozess ein Team Arbeitszeit, Präsenszeit und Qualitätskontrolle organisiert, liegt ebenfalls in der Verantwortung des Teams.

Hier wird die Integration der individuellen Mitarbeiter-Bedürfnisse mit der zugesagten Performance für den Kunden erarbeitet. Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit wird in diesen Organisationen nicht als Interessenskonflikt, sondern als gemeinsames Ziel von Partnern gesehen.

Der ganze Mensch ist erwünscht

Allen Pionieren zugrunde liegend ist die Überzeugung, dass Arbeit im Leben nicht alles ist. Typisch Millennials halt. Ganz praktisch sind Arbeitsteilzeitmodelle nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Und viele Unternehmen pflegen explizit die Kultur, sich von den Außer-Job-Leidenschaften der Kollegen und Kolleginnen bereichern zu lassen. Das kann bedeuten, Kinder, Tiere, Jam-Sessions sind in den Büros erwünscht. Sofas sind ein Muss und die berühmten Google-Kicker sind tatsächlich auch oft zu finden, da Bewegung der Kreativität gut tut. Schließlich soll die rechte Gehirnhälfte angeregt werden…

Erwachsene Menschen sind mündige Menschen

Grundsätzlich gehen die Pioniere davon aus, dass die Menschen, die sich zum Unternehmen hingezogen fühlen, gerne Verantwortung für Kunden, unternehmerischen Erfolg, die eigene persönliche und fachliche Weiterentwicklung und ihre Team- und Kommunikationsfähigkeit übernehmen und dazu auch in der Lage sind.

In der Probezeit wird diese Annahme wechselseitig überprüft. Wer nicht ins Unternehmen passt, soll / kann wieder gehen – ohne Schmerzen.

Im Recruiting wird stärker diese erwünschte Haltung, als die bisher aufgebaute Fachexpertise befragt. Verantwortlich für die Neueinstellung ist das Team, das mit der neuen KollegIn arbeiten wird.

Wachstum und Arbeitszeit

Die meisten Pioniere sind auf Wachstumskurs, weil den Kunden gefällt, was da so agil abgeliefert wird. Nachhaltiges Wachstum wird meistens höher bewertet als turbulente Quantensprünge – aber letztendlich verantwortet die Belegschaft auch diese Gretchenfrage. Meistens wird plenar diskutiert und entschieden, ob Marktchancen ergriffen werden, auch wenn es (punktuelle) Arbeitszeit-Klimmzüge von der Belegschaft erfordert.

Team statt Manager

Teamfähigkeit, soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit sind notwendig, um in diesen Organisationen zu Recht zu kommen. Disziplinierung wird nicht delegiert an Führungskräfte, sondern findet im Team statt. Alle Teams unterziehen sich Feedback-Sessions, wo der / die Einzelne von den KollegInnen direkt erfährt, womit er / sie seine Mitmenschen im Team erfreut und belastet.

Teams statt Abteilungen

Die Teams sind interdisziplinär zusammengesetzt nach dem Prinzip, idealerweise die ganze Wertschöpfungskette im Team mit verschiedenen Expertenrollen ab zu bilden.

Statt in Fachabteilungen organisieren sich die Experten in firmeninternen Communities, um weiter ihre Fachexpertise weiter auszubauen. Dieser Kunstgriff im Organisationsdesign, die unternehmerisch agierende Zelle „Team“ voranzustellen und die Zugehörigkeit zur internen Expertencommunity ausschließlich als Wissenscommunity zu leben, erspart diesen Pionieren die lästigen Reibungsverluste zwischen Abteilungssilos, an denen die klassischen Aufbauorganisationen leiden.

Zeit für Lernen – Wissen teilen

Ein hohes Gut im Selbstverständnis agiler Organisationen ist ihre Innovationsfähigkeit, die Fähigkeit, auf Umweltveränderungen flexibel reagieren zu können.

Dass MitarbeiterInnen über den Tellerrand hinausschauen wird deswegen in diesen Pionierorganisationen gefördert. Immer nach dem Prinzip: nehmt Euch die Zeit, Euch schlau zu machen und teilt es dann mit der ganzen Belegschaft. Fortbildungen etc. werden nicht von HR und /oder Führungskräften genehmigt, sondern ausschließlich mit dem Team abgesprochen. Die Fundstücke der Forschungsreisen werden allen KollegInnen in adäquater Form zur Verfügung gestellt.

Organisationssteuerung durch Feedbackprozesse

Wie steuern sich diese Organisationen, die oft ganz auf Managementrollen verzichten? Alle Entscheidungen, die für das Unternehmen relevant sind, werden durch Feedbackprozesse herausgearbeitet. Die Kundenteams lassen ihre Arbeit von den Kunden feedbacken und richten ihre Weiterentwicklung daran aus. Die MitarbeiterInnen lassen sich von KollegInnen feedbacken und richten ihre persönliche Weiterentwicklung daran aus. Um die Resilienz des Unternehmens in seiner Markt-Umwelt bewerten zu können, werden Kennzahlen und Trends gemeinsam von den MitarbeiterInnen interpretiert.

Dadurch wird die strategische Unternehmensentwicklung zur kollektiven und kontinuierlichen Übung – meistens in plenaren Kommunikationsformaten. Die Eigentümer üben sich dabei vor allem in Zurückhaltung.

Grundkompetenz Collaboration

Die Pioniere brauchen MitarbeiterInnen, die Teamarbeit moderieren können, sich gut reflektieren und sich gut organisieren können. Hilfreich dabei sind außerdem digitale Collaborations-Tools, auf die sich diese Organisationen als Basis-Werkzeug der internen Zusammenarbeit verständigt haben. Viele Pioniere nutzen für die eigene Organisationsentwicklung agile Arbeitsmethoden, wie zum Beispiel Scrum (sipgate, Düsseldorf) oder Design Thinking (Dark Horse, Berlin).

Methoden alternativer Entscheidungsfindungsprozesse sind wichtige Bausteine der Organisationsdesigns der Pioniere. (z.B. Soziokratie, Dark Horse).

In diese Kompetenzfelder investieren die Pioniere, da sie wissen, dass es diese qualitativ hochanspruchsvolle Form der Collaboration nicht gratis gibt.

Ja, aber…

Liebe Leserin, lieber Leser – wie geht es Ihnen beim Lesen?
Begeistert, befeuert? Oder skeptisch? Oder frustriert, weil das in Ihrer Organisation gar nicht zu verwirklichen ist? Oder von allem etwas?

Wir möchten Sie ermuntern, sich begeistern zu lassen, auch wenn die Transferfragen für Sie noch unbeantwortet sind.

Gehen Sie einfach ins Gespräch mit Ihren KollegInnen, Ihrer Organisation und beobachten Sie die Resonanz. Wir machen zurzeit die Erfahrung, dass es in den Organisationen rumort, dass viele spüren, dass es Zeit ist, strukturelle Veränderungen einzuleiten, da sich die Unternehmen die Schattenseiten der traditionellen Organisationsdesigns nicht mehr leisten können.

Machen Sie es wie die Pioniere. Verzichten Sie auf den Anspruch der Vollständigkeit, packen Sie die Veränderung dort an, wo Sie und Ihre KollegInnen Feuer gefangen haben. Erlauben Sie sich Experimente – mit der Gefahr im ersten Anlauf zu Scheitern und daraus zu lernen. Tauschen Sie sich aus mit anderen, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht haben, Ihre Organisation 4.0 tauglich umzubauen.

Wir bleiben ebenfalls „dran“ an diesen Fragestellungen und freuen uns auf den Austausch mit Ihnen.

Mehr zum Thema
Unter dem Motto „Arbeit weiter denken“ gibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf ihrer Webseite eine Menge gutes Material zu dem Thema Arbeit 4.0 heraus. Sie können mitdiskutieren und werden über aktuelle Veranstaltungen zu dem Thema informiert.


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